Der deutsche Arzt sieht das Gesicht und verliert die Fassung. Denn keiner weiß, was diese Frau durchmachen musste.

Geldsorgen drängen die verzweifelte Witwe schließlich zu einem Schritt, bei dem sie ihre Würde dem Wohl der Familie opfert: Mary Ann bewirbt sich bei einem „Anti-Schönheitswettbewerb“, den sie tatsächlich auch gewinnt und der ihr den Titel „hässlichste Frau der Welt“ einbringt. Für das dringend benötigte Preisgeld schluckt Mary Ann ihren Stolz herunter. Von diesem Moment an lässt sich die tapfere Mutter als „Laune der Natur“ verspotten, um den Unterhalt für ihre Familie zu verdienen.

Nach dem gewonnenen Wettbewerb beginnt für Mary Ann eine Karriere als Zirkusattraktion. Als Mitglied einer Abnormitätenschau geht sie im Vereinigten Königreich auf Tournee, bis sie schließlich in die USA übersiedelt, wo sie von einem Vergnügungspark, der Coney Island Dreamland Side Show, als kuriose Attraktion unter Vertrag genommen wird. Dort arbeitet sie bis zu ihrem Tod im Jahr 1933.

Mary Anns hartes Schicksal ist der Ausdruck einer intoleranten Zeit, doch leider ist man auch heutzutage in Sachen Akromegalie kein bisschen sensibler: So veröffentlichte der Grußkarten-Hersteller Hallmark vor einigen Jahren eine Postkarte mit einem Bild von Mary Ann und spöttischen Bemerkungen über die „hässlichste Frau der Welt“. Erst als ein deutscher Arzt die Karte als verletzenden und diskriminierenden Umgang mit einer ernsten Krankheit anprangert, zieht der Hersteller das Produkt zurück.

Man sieht: Auch in unserer vermeintlich aufgeklärten Zeit mangelt es in Schönheitsfragen noch an Sensibilität. Die aufopferungsvolle Mary Ann hat vorgemacht, was wahre Schönheit ausmacht: wenn man bereit ist, alles zu geben für die Menschen, die man liebt.